Die grösste Sportveranstaltung der Welt: Die olympischen Sommerspiele. Olympia lässt Millionen von Menschen jubeln, schafft Vorbilder für Kinder und Jugendliche und trägt die olympischen Werte in die Welt hinaus. Doch die Spiele ändern sich. Und das nicht immer zum Guten.
2024 finden die Olympischen Spiele in Paris statt. Bis dahin soll sich einiges ändern. So will es das Olympische Komitee. Zu gross sind die Spiele. Sie kosten zu viel und sind erst noch schlecht für die Umwelt. Ausserdem sollen die Spiele peppiger werden. Ziel ist es, die jugendlichen Zuschauer anzusprechen. Um das zu erreichen, hat das IOC (Internationale Olympische Komitee) sich einige Ideen einfallen lassen. Die Anzahl Athleten und Betreuer soll gesenkt werden und einige Sportarten oder Disziplinen werden aus dem Programm gestrichen. Damit die Spiele für die Millennials nicht zu langweilig sind, sollen actionreichere Disziplinen ins Programm. Klingt bis jetzt ziemlich vernünftig. Was dabei nicht verloren gehen soll, sind die olympischen Werte, wie Freundschaft, Respekt, Exzellenz der sportlichen Leistung und Chancengleichheit.
Doch zwischen diesen Zielen gibt es eine Diskrepanz. Auf der einen Seite sollen möglichst viele Menschen motiviert werden Sport zu treiben und ihr Leben nach den olympischen Werten leben. Dazu brauchen diese Menschen die Möglichkeit dort wo sie wohnen den Olympiastars nachzueifern und in Sportvereinen den Spirit of Sport zu leben. Auf der anderen Seite sollen Jugendliche mit Nervenkitzel und adrenalingeladenen Sportarten an die Fernseher gelockt werden, ganz im Motto der olympischen Spiele: «Citius, Altius, fernsehtauglicherus». Diese neuen cooleren Sportarten erfordern aber oft eine grössere und exklusivere Infrastruktur, als dass das die meisten Jugendlichen in ihrer Stadt oder in ihrem Land zur Verfügung haben. Sie haben also gerade eben nicht die Möglichkeit den Olympiasiegern nachzueifern und die olympischen Werte zu leben.
Extreme Slalom als neue Disziplin
Anschaulich wird das Problem in meiner Sportart dem Kanufahren. Letzte Woche wurde beschlossen, dass anstelle der 200m Wettkämpfe der Kanuten auf dem Flachwasser nun der sogenannte «Extreme Slalom» eingeführt wird. Beim Extreme Slalom stürzen sich vier Kanuten gleichzeitig eine Rampe in den Fluss hinunter und müssen dann auf dem künstlichen Bach, ähnlich wie beim Ski-Cross, einen Parcours absolvieren. Klingt spektakulär, ist es ehrlichgesagt auch. Beim 200m Flachwasser Rennen geht es «nur» darum, wer am schnellsten im Ziel ist. Obwohl ich aus dem Flachwassersport komme, muss ich zugeben, dass der Extreme Slalom für Zuschauer, die vorher noch nie einen Kanuwettkampf gesehen haben, wohl spannender ist.
Was ist also das Problem? Nun, für eine Jugendliche, die nach Paris 2024 begeistert vom Extreme Slalom ist, ist es sehr schwer in den Sport einzusteigen. Neben dem ganzen Material das man braucht (Boot, Paddel, Schwimmweste, Helm, …) gibt es schlicht und einfach nicht viele Orte auf der Welt wo man Extreme Slalom trainieren kann. Nicht mal die Schweiz als reiches Land hat einen künstlichen Wildwasserkanal (die Dinger sind richtig teuer).
Anders sieht es aus bei Disziplinen wie dem 200m Rennen. Praktisch jede Stadt der Welt ist an einem (mehr oder weniger zahmen) Gewässer gebaut. Was man nun noch braucht, ist ein Boot und ein Paddel und das Training kann losgehen. Diese Disziplin steht also viel mehr Jugendlichen offen, als der Extreme Slalom.
Der Extreme Slalom ist aber nur ein Beispiel von vielen.
Was soll man also tun? Die Lean-Olympics
Das erklärte Ziel des IOC Präsidenten Thomas Bachs ist es, «to get the couch potatoes off the couch». Die Jugendlichen sollen die Spiele nicht nur schauen, sondern auch Sport treiben. Ich schlage daher vor, dass der IOC genau das ermöglichen soll. Anstatt den Jugendlichen Action bieten zu wollen, die sie einfacher und jederzeit auf TikTok und co. bekommen, soll bei den Olympischen Spielen der Sport im Zentrum stehen. Doch genau das sieht das Olympische Komitee anders. Ein Punkt der olympischen Agenda 2020 ist: «Move from a sport-based to an event-based programme». Die Spiele werden also den Interessen der Zuschauer untergeordnet und der Sport an sich ist zweitrangig.
Genau wie das IOC finde aber auch ich, dass es wichtig ist, dass die olympischen Werte gelebt werden. Doch anstelle der Interessen der Zuschauer soll der Sport im Zentrum stehen. Damit die olympischen Werte auch möglichst weit gestreut werden, gehören meiner Meinung nach vor allem Sportarten ins olympische Programm, die möglichst viele Jugendliche betreiben können. Anstelle von infrastrukturintensiven Sportarten propagiere ich die Lean-Olympics, einem Weg, die olympischen Werte möglichst effizient auf der Welt zu verteilen. Dazu zählen möglichst wenig Infrastruktur, möglichst tiefe Einstiegshürden für Anfänger von olympischen Sportarten und dadurch möglichst grosse Chancengleichheit für alle Jugendlichen rund um den Globus. Es ist mehr wert, wenn ein Jugendlicher in einem 3. Welt Land die Möglichkeit hat, eine olympische Sportart zu betreiben, als dass ein (westlicher) Zuschauer alle vier Jahre eine höhere Endorphin Ausschüttung vor dem Fernseher hat.
Was bringts?
Schmalere Olympische Spiele sind unbestritten besser für die Umwelt. Weniger Sportarten mit einer grossen Infrastruktur kosten weniger und stellen für die Steuerzahler des jeweiligen Austragungsland eine kleinere Belastung dar. Dadurch, dass «simple» Sportarten die olympischen Spiele dominieren, werden mehr Menschen zum Sport motiviert. Die Menschen sind gesünder, die Lebensqualität steigt, die Gesundheitskosten sinken und hoffentlich gehen die Menschen durch den neuen Spirit of Sport freundlicher miteinander um. Ausserdem haben ärmere Länder auch die Möglichkeit olympische Sportarten zu fördern und sind nicht schon rein von der Infrastruktur her (wie beim Extreme Slalom) per se von einer Sportart ausgeschlossen. Extremer ist also nicht immer besser. Auf eine Welt mit mehr Sport!